——————————Im vergangenen Jahr feierte die Kunststiftung NRW ihr 25-jähriges Bestehen mit der dezentralen Ausstellungsreihe „25/25/25“, indem sie 25 international anerkannte Künstlerinnen und Künstler mit 25 ,von einer Jury ausgewählten Museen in ganz Nordrhein-Westfalen zusammenbrachte, um so eine breite Öffentlichkeit auf die kulturelle Bedeutung und die Vielfalt der Museumslandschaft dieses Landes aufmerksam zu machen. Die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler hatten dabei die Aufgabe, besonders die jeweiligen Sammlungen in den Fokus zu stellen.
Im Rahmen dieses Projektes beschäftigte sich das mexikanische Künstlerkollektiv Tercerunquinto, bestehend aus den Künstlern Julio César Castro Carreón, Gabriel Cázares Salas und Rolando Flores Tovar, mit dem Kunstbesitz des Bochumer Kunstmuseums und dessen Verortung innerhalb der Bürgerschaft. Bei ihrem Aufenthalt in der Stadt erfuhren die Künstler, dass die einzigartige Sammlung bei der Konzeption des Neubaus durch die dänischen Architekten Bo und Wohlert bewusst keinen eigenen Raum erhielt. So kann sie nicht ständig, sondern nur wechselweise in kleinen Auszügen präsentiert werden und ist vielen Bochumerinnen und Bochumern daher weitestgehend unbekannt. Mit ihrer fast zehn Monate andauernden Aktion „Vendedor de flores“ wollte Tercerunquinto die Gemälde und Skulpturen im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar und erfahrbar machen.
Bei ihren Steifzügen durch Bochum, dessen Bevölkerung traditionell von einem hohen Anteil an Migranten geprägt ist, nahm das Künstlerkollektiv exemplarisch Kontakt zu einem aus Indien stammenden Blumenverkäufer auf. Ihm boten sie an, das Museum und seine Werke auf eine ganz besondere, nahezu privilegierte Weise kennenzulernen. Zwei Mal in der Woche wolle man ihm Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen aus dem Bestand des Hauses zeigen und im lockeren Gespräch mit den Kuratoren erläutern. Das Museum kaufe ihm bei jedem Besuch einen Blumenstrauß ab, den er als „Visitenkarte“ hinterließe. Die jeweilige Aktion würde fotografisch dokumentiert. Der Blumenhändler stimmte zu und er und seine ihn vertretende Freunde, insbesondere Herr Scholz, der in Indien geboren, als Kind von deutschen Eltern adoptiert wurde, lernten während der Dauer der Aktion mehr als 70 Einzelwerke kennen.
Zwar handelte es sich bei „Vendedor de flores“ um eines der weniger spektakulären Projekte, dennoch wirkte es auf unterschiedlichsten Ebenen nachhaltig. Die kunstinteressierten und –engagierten Bochumer verfolgten die Kunstaktion mit großer Aufmerksamkeit, wie es auch die überregionale Kunstszene tat, vor allem als Plakate mit dem Kunstbetrachtendem im gesamten Stadtraum zu sehen waren, die für die eher stille Aktionen warben. Gezielt nahmen Mitglieder der Kunst- und Museumsgesellschaft, Schüler- und Studentengruppen aber auch einzelne Besucher an den Einführungen für den Blumenverkäufer teil. Da im Foyer eigens eine Wand für die Präsentation errichtet wurde, nahmen alle Besucher der zahlreich besuchten Ausstellungen die Aktion wahr.
Zudem waren die am Haus beschäftigen Kuratoren aufgefordert, sich intensiv mit der eigenen Sammlung auseinanderzusetzen und entdeckten so vergessene oder selten gezeigte Werke wieder ganz neu. Tatkräftig unterstützt wurden sie dabei von jungen, freiberuflichen Kollegen, die sich ebenfalls für diese Aufgabe begeisterten. Einige Kunstwerke wurden in diesem Zusammenhang restauriert, was zum Erhalt einer Sammlung einen wichtigen Aspekt darstellt. Insgesamt entwickelte sich eine Art „Ritual“, an dem die unterschiedlichsten Arbeitsbereiche des Museums beteiligt waren. In der Verwaltung schrieb man erläuternde Texte zu den Werken, um sie auch den übrigen Museumsbesuchern näher zu bringen, in der Werkstatt wurden Bilder und Skulpturen sowie Werkzeug zur Aufhängung und Sicherung vorbereitet, um bei der Ankunft des Händlers das jeweilige Werk reibungslos auszutauschen und die Mitarbeiter der Aufsicht arrangierten gemeinsam mit dem Blumenhändler die jeweiligen Sträuße. So entwickelte sich rasche eine wachsende Vertrautheit zwischen Herrn Scholz und dem Museumsteam. Als das Projekt kurzfristig wegen eines längeren Krankenhausaufenthaltes ins Stocken zu geraten schien, sorgte der Verkäufer auf eigenen Wunsch für einen Ersatz, weshalb in den Sommermonaten eine türkischstämmige, junge Frau seinen Platz einnahm, die ebenfalls voller Begeisterung an dieser Kunstaktion teilnahm.
In dieser kleinen Ausstellung wollen wir Sie nun an dem mittlerweile so vertraut gewordenen Ritual teilhaben lassen und Ihnen einige der Werke vorstellen, die wir in den letzten Monaten immer nur für drei Tage gezeigt haben.
Verbunden mit dieser Aktion ist auch unsere Hoffnung, im Schulterschluss zwischen der Stadt und den Bochumer Bürgerinnen und Bürger, unter der Federführung der Kunst- und Museumsgesellschaft, mittelfristig die Möglichkeiten dafür zu schaffen, unserer national und international beachteten Kunstsammlung – wovon Leihanfragen zeugen – in der historischen Villa Marckhoff dauerhaft präsentieren zu können.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Thomas Hensolt und Hans Günter Golinski.